Der_erste_Leibziger_Concours_hippique_1911


 

 

 

 

 

 

Wir zeigen hier unseren Lesern den sehr lehrreichen Kommentar
von Benno von Achenbach ,mit Bilder,
 von denen wir heute sehr viel lernen können

 

 



 

Die Fahrkonkurrenzen waren für eine erste Veranstaltung in Leipzig und im Hinblick auf den Vormarsch des Automobils zahlreich und sehr gut beschickt, waren doch die hervorragenden Hackneys des Herrn H. L. Kappel zur Stelle, denen als Jucker allererster Klasse, die väterlicherseits amerikanisch — teilweise in Deutschland gezogenen — Rotschimmel des Grafen von Alvensleben - Neugattersleben gegenüberstehen. Ferner zwei herrliche hellbraune Hackney-Stuten des passionierten, unermüdlichen Herrn F. Lampe-Vischer, der Seele der so gelungenen Veranstaltung. Vier kleinere Hackneys des Herrn von Gaffron voller Qualität und die kapitalen kleinen Yorkshire-Füchse und Rotschimmelstute des Herrn Dr. C. W. Hübner, ein Paar noch ganz junge eben importierte Klassepferde, Rotschimmel und Brauner des Herrn Dr. F. Najork werden erst im Sommer ganz akklimatisiert und fertig gefahren sein, wonach .sie dann in Deutschland wohl in erster Linie mit in Frage kommen werden: diese alle seien vorweg ganz besonders hervorgehoben. Um, dem Programm folgend, das Beste was gezeigt wurde, zu nennen, seien Herrn Ernst Sack's Füchse lobend erwähnt, denen an Qualität und Gleichmäßigkeit des auffallend schönen Gangwerks nichts fehlte, nur in der Farbe waren sie verschieden.
 

Herrn Hotze & Stockfischs russische Dunkelschimmel-Stute sei auch besonders hervorgehoben.

 Bei den Einspännern und Zweispännern in Privatbesitz wurde Herrn Kappel's Cakewalk Erste, sie ging nicht immer ganz gleichmäßig und warf sich in die Wendungen, was dem sehr temperamentvollen schwierigen Pferde in den Augen derjenigen Richter sehr schadet, die ganz besonderen Wert auf Dressur legen; die außerordentlich temperamentvolle Stute wird nie ein Lamm werden, denn je länger sie geht, desto heftiger wird sie.

 

 

 

 

 

 

Zweite wurde Herrn I)r. C. W. Hübner s Rotschimmelstute »Fleur de Peche«, ein sehr hübsches Pferd mit schönem Gang, von Frau Hübner gefahren. Das Pferd war etwas zu nahe am Wagen, sodass die normalen Scherbäume sehr weit vorstanden.

 

 

 

 

 

 

Dritte wurde »District Svmnathy«, die leichtere der schönen Braunen des Herrn Lampe-Vischer,von seiner Gemahlin gefahren. Die Damen hatten bei dem stürmischen Wetter einen schweren Tag, da die Hüte trotz Automobilschleiern fast fortgerissen wurden.

 

 

 

 

 

 

Pferdebeine, Mähnen und Schweife, besonders aber die Livree, drückten das sonst so hübsche Gespann 'auf den dritten Platz. Geben sich einige Konkurrenten die größte Mühe, wie aus dem Ei gepellt, tadellos herauszukommen und blitzt bei einem alles Stahlzeug, beim andern ist es grau und blind, bei einem weiteren rostig und schmutzig, so hebt die tadellose Haltung das Gesamtbild wesentlich. Kommt man zum Concours um zu zeigen, was man kann, so sollte doch alles rein und blank und gepflegt sein, die Richter können sonst nur denken: wie mag das — nicht zum Concours hergerichtet — aussehen.

 

 

 

 

Die übrigen Wagen krankten, im Vergleich zu den drei ersten sehr guten Gespannen, etwas an mangelndem Stil.

 

 

Von den Zweispännern englischer Anspannung war Herrn Kappel's Spider Phaeton nicht zu schlagen, die schönen Pferde könnten immer noch näher an die Deichselstange herantreten, im Übrigen ist das Gespann, ganz besonders auch die Pflege und der Putzzustand, mustergültig; daraufhin kann es sich jeder einmal genau ansehen.

 

 

 

 

 

 

In der Jucker Abteilung war Graf Alvensleben's Zweispänner unbestrittener Sieger. Atesch und Nora, beide von Alamito gezogen, sind nicht nur verblüffend schnell, sie gehen in tadelloser Haltung und flitzen wie ein Pfeil vom Bogen, wenn der Graf die Leinen etwas hingibt. Alle anderen Jucker standen geradezu still, wenn man sie nach den Rotschimmeln betrachtete.

 

 

 

 

 

 

An zweiter Stelle (englische Anspannung) wurden Prinzessin Friedrich von Schönburg - Waldenburg (Mail Phaeton) und Herr Dr. W. C. Hübner (Stanhope Phaeton) platziert.

 

 

 

 

 

 

Die Damen hatten es, wie gesagt, beim Sturm recht schwer, und so kam es, dass die linke Stute der Prinzessin nicht so heran gestellt werden konnte, wie die sich willig einstellende rechte. Es hatte den Anschein, als hätte die linke Stute ein Loch mehr in der Leine haben, dafür aber schärfer und tiefer gezäumt sein können. Der schöne englische Mail-Phaeton ist — wohl auf Wunsch des Besitzers — etwas hoch, das Gesamtbild war gut.

 

 

 

 

 

 

Herrn Dr. Fr. Najork's Spider Phaeton ist nicht so gut wie seine anderen Wagen, er hat einen leisen belgisch-französischen Anflug. Die schönen jungen Pferde sind noch nicht ganz fertig, hoffentlich schmücken sie nächstes Jahr Mähnen und gut frisierte Schweife (jetzt sind sie, noch vom Händler her, haarlos); das Gespann wurde von den ausgezeichneten kleinen Fuchsstuten des Herrn Dr. W. C. Hübner (Stanhope Phaeton) geschlagen.

 

 

 

 

 

 

 

Die Stuten sind großartige Passer, leider auch ohne Mähnen- und Schweifhaar, das macht sie so" klein aussehend, dazu kam die zu lange Stange und das etwas flacher zu wünschende Verdeck des schönen Phaetons, so dass man unwillkürlich »klein« sagt.

 

 Herrn von Gaffron's »Lady Miles«und »Miß Harriet« reizende, aber wirklich kleine Hackney-Stuten hatten nicht ihren guten Tag; das Sattelpferd hatte sich im Maul wehgetan, und das Genick hatte seine eigenen Ideen, sodass das gute Gespann nicht günstig wirkte.

Da die Richter das Gesamtbild — laut Proposition — zu beurteilen hatten, so schnitten Herr von Gaffron mit dem famosen kleinen Hackney »Prince Pic-em-up«, sowie Rittmeister Thrasybul Argyropoulo's (mit winzigen amerikanischen show-Wagen) mit zwei sehr schnellen Schimmel-Traberstuten nicht glücklich ab. So gut diese kleinen leichten Traberwagen sind, um das P f e r d und seine S c h n e l l i g k e i t zu zeigen, so wenig »schön« ist das Gesamtbild; es ist daher keine vorteilhafte Anspannung für die vorgeschriebene Beurteilung des Gesamtbildes»

 

Das führt mich, ohne die vielen teilweise hübschen Gespanne erwähnen zu können, zu den Tandems. »Beurteilung: Gesamtbild!« Ich stelle mir das so vor: Sehe ich das Tandem auf die in der betreffenden Arena größte Entfernung an, so muss mein erster Eindruck sein: »Donnerwetter ja, wie ein alter englischer Stich«. Oberstallmeister Exzellenz von Haugk rief es beim Anblick des Najork'schen Tandems aus, und das mit Recht. Herr Dr.Najork fuhr die wenig gefahrenen Pferde tadellos, sie waren stets schnurgrade hintereinander, kein Strang kam in den Wendungen dem" Leader auf die Kruppe, weil die Stränge lang genug waren, und das Gabelpferd richtig nach außen überhielt. das Spitzpferd wuchs von Minute zu Minute, es stand am Zügel und zog nie, wo nichts zu ziehen war. Schöne Pferde — wenn auch noch etwas grün — gut gefahren, gut geschirrt, gut angespannt, hohe, wirklich richtige Tandem Cart, Fahrer und Groom Renngewicht, das ist ein Tandem-Gesamtbild, wie es im Buche steht.

 

 

 

 

 

 

Herrn v. Gaffron's Tandem, Wagen und Pferde sind erheblich kleiner, aber aus einem Guss, erinnerte an einen großen Herrn auf einem Pony, sehr gut möglich, aber doch nicht so klassisch. Der Groom war leider der Kutscher, leider, weil er mindestens einen halben Zentner zu viel auf den Bock brachte. Sehr forsche Pferde, »Prince Pic-em-up« ging regelmäßig und mit seinem mächtigen Schwung, ließ nur im Genick zu wünschen übrig, desgleichen »Nunnicer« die stets schwierig bleibt wie »Cakewalk«. Sehr gutes Gesamtbild: ein Tandem, nicht zwei hintereinander gespannte Pferde ein einem 2- oder 4-rädrigen Wägelchen, denn das ist kein »Tandem «. Jedes Gespann bekam einen ersten Preis wegen des guten Gesamtbildes: beim Tandem des Herrn von Gaffron ließ der Putzzustand zu wünschen übrig, Wagen und Geschirr könnten auch auf einige Tage in die Werkstatt.

 

 

 

 

 

 

Die köstlichen Stuten des Herrn Lampe-Vischer wären als Tandem — auf einer »horse show« von den vorgenannten Pferden schwerlich zu schlagen gewesen. Hier hieß es aber: Beurteilung: G e s a m t b i l d . Der Totaleindruck war: ein sehr schönes Tandem einer h o r s e - s h o w : d. h. wo nur die Pferde in Betracht kommen. Als T a n d em — das Gesamtbild beurteilt — war erstens das sehr hübsche Buggy zu klein und zu niedrig; da die Vorderstränge zu kurz waren und kein bewegliches Ortscheit am Wagen, das in den Wendungen nachgegeben hätte, so schob sich der äußere Vorderstrang wiederholt dem Leader auf die Kruppe. Das Vorderpferd trug eine schwere, aus einem Einspänner Geschirr ausgeschnallte Sellette, das Gabelpferd hatte auf der Sellette »Wards terrets«. das sind Schlüssel, die man nur auf Coach-Vorderpferd-Kammdeckeln benutzt, schluß-endlich ließ' die Livree zu wünschen übrig* sodass wegen des Gesamtbildes die schönen, sehr gut gehenden. Stuten, vom Prinzen Friedrich Schönburg fließend vorgefahren, nur mit der dritten Preise bedacht werden konnten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von den Mehrspännern schlug Graf Alvensleben-Neugattersleben mit vier eminent schnellen Rotschimmeln durch Fahrkunst, Pace und Gesamtbild alles was da war und allenfalls hätte kommen können.

 

 

 

 

 

Das Publikum applaudierte so stürmisch, dass der gut gehende Sechserzug des Fürsten Otto Viktor von Schönburg-Waldenburg seinem Fahrer, dem Prinzen Wilhelm zu Wied die Hand nahm und ein unbeabsichtigter Galopp zustande kam.

 

 

 

 

 

 

 

 Hoffentlich kommt der Rappensechserzug mit dem Schimmel vorne links, das dürfte schöner sein, als in der Mitte, nach Ruhleben, da ist mehr Raum zum Ausgreifen als im Innern der Radrennbahn. Hätten wir wenigstens eine solche für Berlin, denn sie bewährte sich sehr gut — bis dereinst eine Halle vom Himmel fällt. —Zum Schluss den Leipzigern zu der gelungenen Veranstaltung ein vivat sequens!

 

 

 

Text : H.B.Paggen

Quelle Sankt Georg 1911 Sammlung Verfasser