Benno von Achenbach-Englische-Anspannung 1911 Teil 9


 

 

 

Der Text wird in der Original Fassung wiedergegeben, die Farbabbildungen die im Orginal Artikel fehlen sind vom Verfasser hinzugefügt

 

 

 

 



Leider kann ich aus technischen Gründen die abschreckenden Beispiele — die lehrreichsten übrigens — nicht farbig bringen, wie sie es eigentlich verdienen und in der » Carrosserie francaise « erschienen sind. Nichts Absonderliches ist es da: schwarz, weiß,
zweierlei rot und braun an einem Wagen zu finden;
an einem andern 2 verschiedene hellblau, gelb, schwarz und dergleichen.

 

 Die Missgeburt Abb. 1 nennt sich »Excentric-Mail«. Außer dem Sarkophag (deutsch: Fleischverzehrer), dessen Zweck nicht einzusehen ist, hat der Wagen die üblichen französischen Fehler: Haken unter der Deichsel, fehlender Langbaum aber Stummelachsen, Korb und Horn falsch angebracht, Reserve-Ortscheite in Haken, die beiden hinteren Tritte an der Querfeder anstatt am Wagenkasten und endlich die Laterne unter dem Bockbrett (wohl gegen kalte Füße!); wie mag das Brett gegen Anbrennen durch die Öllampe geschützt werden? Da eine Leiter fehlt, müssen die Damen gut voltigieren können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 2 hat von einer Coach nur das Gewicht, nicht die Annehmlichkeiten, die Gäste sehen nichts von den 4 Pferden und wenig von der Landschaft, sie haben bei Regen keinen Schutz. Nach den Arm- und Rückenlehnen zu schließen, sollen auf der letzten Bank auch Gäste sitzen. Wo bleiben Kutscher und Groom ? Der Wagen schlägt nur wenig ein und ist auch infolge seines weiten Achsstandes wenig wendig. Die Laternen sollten viel tiefer und weiter zurücksitzen. Der Radschuh hängt für Deutschland und Frankreich auf der falschen Seite, er muss umgekehrt schräg gearbeitet sein, da man d i e s e n nur unter das linke Rad legen kann. Reserveortscheite fehlen, die Tritte auf der Sprengwage sitzen unordentlicher als die Schwalben auf dem Telegraphendraht. Wirklich gut ist nur der Griff des Bremshebels.
( Die beiden nächsten  Bilder stammen von der Weltausstellung 1900 in Paris also 11 Jahre vor dem Erscheinen des Artikels von Achenbach)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 3 nennt sich Coupe- Mail; warum — kann ich nicht sagen, es hat weder ein »Mail«-Untergestell (d. h. Langbaum und  Parallelogramm- Federn) noch Mail-Achsen. Ist nicht ein Omnibus einfacher und -praktischer?  Wer soll das Coupe-Mail fahren, der Herr oder der Kutscher? Jedenfalls sitzt hier der Fahrer weit hinter den Pferden, die Achsen sind sehr weit voneinander, sodass die Equipage ungeheuer lang wird. Das Ganze ist eine stillose Phantasiekiste mit vielen Kinkerlitzchen, vor der man. nur warnen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf Abb. 18, Heft 36, war der Dienersitz hinten angeklebt, hier auf Abb. 4 schwebt er vorne. Dieses Vehikel ist nur auf einer baumlosen Straße zu fahren, vorausgesetzt, dass keine Starkstromleitung in der Nähe ist, es würden sonst 10—12 Personen auf einen Schlag das Zeitliche segnen.

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 5 zeigt die unschöne zwecklose Anspannung der Vorderpferde an einem Seil. Für eine Fahrt über die Alpen ist eine unter der Deichsel liegende Schiene vorzuziehen, Eisenbänder halten beide zusammen. Das Seil unter der Stange verhindert in kritischen Momenten nicht das Brechen. Schwarze Röcke, drapfarbene lange Hosen und hellgraue Zylinder sind weder für die Stadt noch das Land eine gute Mischung. (Fehlerhaft: Rad- Bremse,/ Griff am Fußbrett,  Lederaufhalter , Seil , französische Kandaren.)

 

 

 

 

 

 

 

 Auf Abb. 6 sind der Groom und sein Zylinder Karikaturen. Das linke Vorder und rechte Stangenpferd sehen aus wie je 25 Jahre. An die Deichsel gehören Stahlketten, keine Aufhalter. Das Gespann ist an den Hüten und Zügen (die Verbindung des Kummeteisens mit dem Seitenblatt) auf den ersten Blick als amerikanisch zu erkennen.

 

 

 

 

 

 

 Abb.7 ist als > Gegenbeispiel« sehr lehrreich. Zum Zylinder und Livreerock von Kutscher oder Groom gehören weder lange Hosen noch Schnurrbart. Der Mann bei den Vorderpferden hält diese so verkehrt wie nur möglich. Die ohnehin stramm in den Strängen stehenden Spitzpferde werden demnächst die sich jetzt schon gegenstemmenden Stangenpferde ganz mitschleifen , weil die Vorderleinen beim Losfahren nun einen halben Meter zu lang werden. Die Kandaren sind ebenso unherrschaftlich wie auf Abb. 5. Die Nasenriemen gehen durch die Backenstücke , anstatt dass es umgekehrt ist, sie liegen daher viel zu hoch; bei den Stangenpferden direkt am Jochbein, weil da die linken Seiten der Zäume nicht durch das Festhalten heruntergezogen werden. Die Vorderpferde sollten keine Aufhalteringe und keine Hinterstränge haben, sondern stählerne Zugössen. Teil 7, Abb. 1, 2, 3.) Die russischen Aufhalter der Stangenpferde sind unmöglich. Die Vorderleinen müssen außen durch Ohrbügelringe und Mittelschlüssel auf den Kammdeckeln geführt werden. Die Schöpfe sind ganz ungepflegt und unfrisiert, sie gehören bei Wagenpferden unter die Stirnbänder. Die Stirnspieler fehlen; Vorder- und Hinter Kummete haben ganz verschiedenen Verschluss. Die Seitenblätter sind zu lang, sodass die Strangschnallen weit hinter den Kammdeckeln liegen , wenn die Pferde ziehen. Man findet das in Deutschland sehr häufig und zwar passen die ursprünglich an sich richtigen englischen Maße nicht, weil unsere Kummete zu dünn sind und wir häufig die Kammdeckel zu weit nach vorne legen. Müssen die Pferde im Sand oder in den Bergen wirklich ziehen, so wird bei den erwähnten Fehlern der Kammdeckel schräg nach hinten gezogen, sodass nur der hintere Rand aufliegt und häufig drückt. Die Leinenaugen der Kummeteisen müssen beweglich sein.

 

 

 

 

 

 

Ein abschreckendes Beispiel Kronen betreffend zeigt Abb. 8.
Man sollte es nicht für möglich halten, dass so etwas in Wirklichkeit vorkommt.

 

 

 

 

 

 

Abb. 9 ist ein richtig gearbeitetes Tourengeschirr. Die Seitenblätter sind ohne jede Metalleinlage (Zugfeder) in die großen Ringe an den Zügen der Kummetbügel eingenäht, das hat den großen Vorteil, dass die Seitenblätter niemals an den Schultern scheuern können. Seitenblätter mit Metalleinlagen verbiegen sich leicht, besonders wenn die Pferde aufgeschirrt lange im Stall stehen und sich an den Standsäulen reiben. Durch häufiges (Geraderichten brechen sie. Die großen Ringe, die sich im Seitenblatt immer etwas drehen, sind dadurch nie sauber, auch nicht, wenn man sie zum Schutze mit Metall umgibt. Die Vorderstränge endigen immer in stählernen Zugössen, die Hinterstränge bei Parkdrag- wie bei Zweispänner – Geschirren auch  Tourengeschirren auch in den sehr  bequemen > french Loops < 

 

 

 

 

 

 

Abb. 10. Oder den unter allen Umständen sofort lösbaren Williamsons-Schnallen . Diese sind unschön und. Etwas ausgeleiert, klirren sie nach mehrwöchigem Gebrauch entsetzlich.

 

 

 

 

 

 

 

Abb.11  Aufhalter und Stränge sind — mit diesen Schnallen versehen — selbst dann sofort geöffnet, wenn ein gefallenes Pferd die Riemen mit seinem Gewicht spannt. Es wäre ja danach eine außerordentlich praktische Einrichtung für die Großstadt mit dem schlecht gestreuten öligen Asphalt.

Man hat aber ein einfaches Mittel, Aufhalter und Stränge eines gestürzten Pferdes aufzuschnallen — selbstredend ohne etwas zu zerschneiden , was Trinkgelder wartende Eckensteher nur zu gerne mit scharfem Messer tun — nämlich den -- die Kummeteisen oben zusammenhaltenden Kummetgürtel loszuschnallen. Das geht leicht, selbst wenn Stränge und Aufhalter äußerst gespannt sind. Lose Anspannung der Aufhalteketten sowie bewegliche Deichselbrille erleichtern bei Unglücksfällen das Absträngen bedeutend.

 

 

 

 

 

 

Ein Tourengeschirr kann gröber gearbeitet sein, als ein Parkgeschirr, die Stirnbänder können aus Lackleder sein (ohne Ketten, dafür mit vertikalen Metallstreifen),alle Spieler können fehlen, Monogramme, Kronen oder Crest nur auf den Rosetten nötig (diese sind ja nur dazu da ). Schwarze, braune oder Stroh - Kummete. Die geeignetsten- Kummetschließer sind, weil für alle Pferde im Augenblick passend zu machen, kleine Langringe (auch Trompeten genannt) mit Kettchen; bei den Vorderpferden ebenso oder nur Kettchen. Die auswendigen Kummetbügel haben dann Haken. (Abb. 9.)

 

Die Schweifriemen können Martingal Schweifriemen sein (Abb. 12), an denen, wie sie auch geschnallt sein mögen, die Kreuzleine niemals einen Widerstand findet. Sprungriemen bei den Vorderpferden und Schweifriemen — vorausgesetzt, dass ohne Aufsatzzügel gefahren wird — überflüssig, ebenso Kreuzriemen, Coaching-Kandaren

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Außer der Coach und einem wirklich guten char a banc passt zum Vierspännig Fähren im englischen Stil allenfalls noch der Mailphaeton. Dieser nur, wenn man kleinen Pferden bei ein oder zwei Personen außer dem Kutscher und Groom für eine größere Fahrt die Arbeit erleichtern will.
Sitzwannen wie 
Abb. 13 sind durchaus stillos. Ganz schrecklich ist die Fahrerei, wenn die Leinen wie hier über eine Stange laufen. Die Vorderpferde und der hintere Sattelige sind so scharf geschnallt, wie es überhaupt möglich ist. Der Engländer nennt das unterste Loch der Kandare »duffers hole«. Die Pferde haben Aufsatztrensen (ohne die Zügel), kein sympathisches Mittel das Kauen zu erzielen: Liegen diese Trensen sehr hoch, so ziehen sie die Maulspalten hinauf, liegen sie normal, so setzen sie sich leicht unter das Kandaren Mundstück ;und erzeugen Ladendruck. Deichselbrille und Aufhalter sind falsch. Beim Halten bleiben gehören die Leute zu den Pferden. Findet man zum Potographieren den Wagen schöner mit den Leuten aufgesessen, so kann man ja Schritt, Trab oder Galopp fahren. Die vorne angebrachten Laternen und die Leinenstange sind zum richtigen Aufnehmen der Viererpeitsche sehr ungünstig; man sieht, es der Peitsche auch an.

 

 

 

 

 

 

Abb. 15 in Nr. 36 ist im Gegensatz zu diesem zu niederen Vierspänner Wagen ein zu hoher; zu hoch ist er, weil es ihm vom ästhetischen und besonders vom praktischen Standpunkte aus an der nötigen Länge fehlt.

 

 

 

 

 

 

 

Zum Anspannen des Viererzuges sei bemerkt, dass die Vorderleinen in die Außenkummetringe wie auf Abb. 9 gehängt werden. Das ist die sicherste Art ; auch kann im Stalle ein aufgeschirrtes und ausgebundenes Pferd nicht hineintreten. Bei den Vorauspferden werden die Leinen, nachdem sie eingezogen und auswendig ins Gebiss -geschnallt sind, folgendermaßen befestigt: Die rechte Hand fasst die Leine oberhalb der Kreuzschnalle und gleitet auf ihr bis zur ersten genähten Stelle vor, wo die Leinen angesetzt sind. Die linke Hand folgt der rechten bis auf eine Hand breit und hält diese Stelle fest. Die rechte Hand gleitet dem Zügelende zu weiter vor bis zur nächsten angesetzten Stelle. Diese wird auf die erste gelegt, wodurch eine große Schleife in der linken Hand entsteht. Die rechte Hand legt jetzt eine ebenso große zweite Schleife in die linke Hand, wodurch links von den Nähstellen drei verhältnismäßig dünne Lagen biegsamen Leders in die Hand kommen. Die rechte Hand faltet die dreifache Leine an dieser Stelle und schiebt sie von unten in das Leinenauge des Kummets. Dann fasst die rechte Hand das letzte Ende der Leine unterhalb des Leinenauges, faltet es ebenfalls und steckt es oberhalb durch die innerste der drei Lagen, sodass die Leine jetzt gut befestigt und leicht los zunehmen ist. Beim Ausspannen verfährt man ebenso. Die äußeren Stränge werden stets zuerst befestigt, damit kein Pferd von der Stange wegtreten kann, das inwendig schon angesträngt ist; es könnte Oberblattstrippe und Kammdeckel zerreißen. Die Vorderstränge  müssen, wie die Ortscheite, in der Anspannung die Schraubenköpfe nach oben haben. Man sieht auf diese Weise sofort, ob sich eine Schraube gelockert hat. Beim Einschnallen der Stränge achte man darauf, dass die inneren Stränge stets wieder nach innen kommen, weil sie durch unvermeidliches Reiben gegen das Geschirr der Nebenpferde unansehnlich werden. Wie früher schon erwähnt, sollten die Innenstränge zum leichteren Erkennen vorne abgestumpft werden. Zum Anspannen muss die Bremse fest angezogen sein, damit der Wagen nicht anrollt und die Pferde durch Auflaufen erschreckt. Die Ketten dürfen nie mit Gewalt oder gar durch Anheben der Deichsel angezogen werden. Die Stangenpferde müssen mit richtig geschnallten Leinen genau an ihrem Platze arbeiten und sich frei bewegen können, schon zum Zwecke eines gelegentlichen frischen Galopps. Die Stränge sollen kurz, aber nie so kurz sein, dass die Pferde dem Bockbrett beim Fahren durch eine Rinne oder Furt zu nahe kommen und im starken Trabe oder Galopp eine Berührung der Sprengwage oder der Radreifen durch die Hinterbeine und Hufe möglich wäre.

 

 (Abb. 14.) Man achte darauf, ganz besonders bei einem unbekannten Wagen, an dem die Sprengwage den Rädern sehr nahe ist. Bevor man losfährt, überzeuge man sich, dass alle Geschirrteile  richtig aufgelegt sind und die Leinen gut eingezogen und ausgedreht sind, die Gebisse und Kinnketten liegen, wie es für die einzelnen Pferde sein soll.

 

 

 

 

 

 

 

Textaufbereitung : H.B.Paggen

Quelle: Sankt Georg 1911

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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