Coaching von Biarritz nach Pau


Bericht aus dem New York Herald Paris vom 2 April 1893

Die erste ereignisreiche Ausfahrt der „ The Rocket “ 1893  

 

 



 

 

Die „Rocket“ wurde nach einer höchst erfolgreichen Saison
von der Route Eaux-Chaudes abgezogen –
die nach der ersten Woche schon gut gebucht war.
Gestern wurde mit dem Verkehr zwischen Pau und Biarritz begonnen,
ein Kurs von nicht weniger als 120 km in 8 Stunden,

wofür sie acht Satz Pferde brauchte um die Strecke in der angekündigten Zeit zu schaffen.

 

 

 

Um dreiviertel zehn fuhr die Coach vor der Dependance des Hotels de France vor, wo sich schon eine hübsche Menge versammelt hatte, um die Abfahrt zu sehen.  Unter den Zuschauern waren Captain C. R. Hargreaves, der bekannte Coachman der Coach von London nach Portsmouth, einer Straße, die seltsamerweise über fast genau die gleiche Distanz führt wie die von Pau nach Biarritz.Als erster Satz Pferde, waren
„Die Kätzchen“ eingespannt worden,bestehend aus vier braunen Stuten,
deren rechtes Vorderpferd sich durch vier weiße „Stiefel“ auszeichnete.

Die Passagiere waren Mr Ridgway - auf dem Bock – Gräfin J. de Ganay, Mr und Mrs C. Carroll,
Mr F. W. Jones, Mr J. Barron, Baron Lejeune, Sir John Nugent und Mr d’Hautepoule

 

 

 

Mr Henry Ridgway, ganz passend gekleidet mit einem grauen Hut und in dem dunkelgrauen Frack mit Messingknöpfen des Reunion-Clubs, war an den Leinen und als die Glocke zehn schlug
gab Howlett, der Guard, das Zeichen „Alles in Ordnung!“ und weg waren wir.

Wir schlängelten uns durch die gepflasterte Rue de la Prefecture
und hatten bald den Place Grammont überquert und waren auf der breiten Bayonner
Landstraße.Die Straße ist etwas staubig, doch es ist ein himmlischer Tag,
die Sonne ist warm und eine kühle Brise bläst den Pferden ins Gesicht.

 

 

Eine Stute schlägt aus

 

Artix, 12 ½ Meilen, erreichen wir um 11:13 Uhr – auf die Minute genau und hier werden
„Die Kätzchen“ ausgetauscht, die beiden Stangenpferde gegen einen Braunen
und einen Schimmel, die vorderen gegen einen Fuchs und einen Schimmel.
Die braune Stute ist nur ein angemietetes Ersatzpferd für ein Pferd dieses Viererzuges,
das einen Unfall hatte und entsprechend schlecht führte sich die Stute auf,
als sie ein paar Meilen hinter Artix auszuschlagen begann und – krax – bumm!
- hat sie das Fußbrett zerbrochen und ein Bein über die Sprengwaage gebracht
ehe Mr Ridgway anhalten kann.
Howlett und die Helfer aus dem Inneren der Coach
bringen die Sache flott wieder in Ordnung, doch die Stute hat „Blut geleckt“
und peng, peng, peng, krachen ihre Hufe gegen das bereits beschädigte Fußbrett.
Mr Ridgway sitzt unbewegt und verdient jedenfalls den Orden für
„besondere Tapferkeit unter Beschuss!“ Glücklicherweise ist das Fußbrett eisenbeschlagen
sonst wären die Folgen wohl ernst gewesen.

Es ist ein ernster Fall und so meint unser Coachman:
„Spannt sie aus“ und wir erreichen Orthez mit fast fünfzehn Minuten Verspätung als
„Einhorn“-Gespann. Der Schläger, der nun den Namen La Goulue bekam,
wird einem Bauern übergeben,der ihn nach Artix heimbringen soll.

Vierzig Minuten waren zugestanden worden um die Gastlichkeit der
„Belle Hotesse“ genießen zu können. Da wir aber so weit zurückliegen,
müssen wir im Galopp durch das keineswegs luxuriöse Mahl, aber wir schaffen es,
trotz der Zähigkeit des Hammelbratens, pünktlich zu starten!
Die in Orthez eingewechselten Pferde bestehen aus drei Braunen und einem Schimmel
und da gerade Markttag ist, ist es keineswegs einfach,
sich den Weg durch die Menge in den engen Straßen zu bahnen.
Wir lassen sie ordentlich galoppieren und erreichen Puyoo in fünfundzwanzig Minuten,
ein gutes Tempo für 15 Kilometer.

 

 

 

Das Mascotte Team

 

Das „Mascotte Team“ erwartet uns in Puyoo – die Rappstute „La Mascotte“,
die dem Gespann den Namen gibt, ist das linke Stangenpferd neben einer braunen Stute
und eine Fuchsstute und eine braune als Vorderpferde – beide sehr gut gezogen.
Der Wechsel vollzieht sich in der guten Zeit von 1 ½ Minuten.
Nun übernimmt Baron Lejeune die Leinen von Mr Ridgway.

 

 

 

65 km vor Pau überqueren wir die Grenze des Departments Landes.
Wir passieren einen Kapuziner, der zu Fuß unterwegs ist und sein unbedecktes Haupt mit einem weißen Schirm schützt, doch er nimmt keine Notiz von uns,
zweifellos in Meditation versunken.

Zwei Minuten genügen, um die „Mascottes“ in Peyrehorade auszuspannen und gegen die
„Katzen“ auszuwechseln. Diese sind ein bezauberndes Gespann von vier Braunen.

Wir überqueren die lange Brücke, die den Adour überspannt,
und es geht die lange und schwierige Steigung hinauf, die vom Fluss hügelan führt.
„Wir bräuchten noch ein Pferd als Vorspann“
meint Mr Ridgway und das wäre sicher nützlich.
Wir halten auf dem Gipfel des Hügels bei einem freundlichen Bauernhaus an,
um „sie eine wenig schlabbern zu lassen“ und erreichen Biarotte eher ein wenig vor der Zeit.

Vier Braune, das Privatgespann von Baron Lejeune, werden nun eingewechselt
und wir brauchen nur zwei Minuten dafür. „Mehr Eile, weniger Geschwindigkeit.“
Eines der Vorderpferde ist nicht so im Gebiss verschnallt wie es der Baron sich vorstellt
und er hält an, um es ändern zu lassen. Die Vorderpferde, die ein bisschen übermütig sind,
drehen um, sie stürzen und die Deichsel bricht in zwei Teile – zweifellos vorgeschädigt,
weil die ausschlagende Stute vorhin sich schon darauf hatte fallen lassen.

Versuchen Sie’s mal!
Eine Coach ohne Deichsel hat nicht mehr Wert
als ein Ozean-Dampfer mit gebrochenem Ruder.
Wilde Vorstellungen von Camping hier draußen mischen sich mit tiefem Bedauern darüber,
dass die Flasche „John Jameson“, mit der einer der Passagiere so großzügig umgegangen ist,
längst leer war! Aber Moment mal!
Der Baron und sein Partner haben einen zweiten Pfeil im Köcher
– eine Reservedeichsel – und in nicht viel längerer Zeit als es braucht
um die Geschichte zu erzählen werden die Pferde ausgespannt,
der Stumpf von Deichsel Nr. 1 herausgezogen,

 Nr. 2, die aus drei Teilen besteht,
zusammengefügt und gesichert und die Gäule wieder eingespannt.

 

 

1892 meldete die Firma Mühlbacher die zerlegbare Reserve-Deichsel zum Patent an

 

 

Jetzt wird ernsthaft gefahren

 

Fast zwanzig Minuten sind verloren und mit der Chance „punktgenau“ anzukommen scheint es schlecht zu stehen. Die Pferde werden nun ernsthaft gefordert und die großen kräftigen Braunen wirbeln die schwere Coach in Windeseile dahin als wäre sie ein Federgewicht und nicht 1,9 Tonnen schwer. In St. Etienne sind wir nur fünf Minuten zu spät. Wir haben den Rest der Zeit auf den einundzwanzig Kilometern dieses Abschnitts gutgemacht. Für den letzten Streckenabschnitt werden die „Miezekatzen“ eingespannt, vier Füchse, der Pferdewechsel dauert zwei Minuten. Als wir an der Kirche von St. Etienne verbeisausen, dem Ort so schwerer Kämpfe 1814, sind wir auf der Kante des steilen Hügels von St. Esprit und Bayonne mit seinem Hafen, seinen Festungsanlagen und seinen doppeltürmigen Kirchen liegt wie ein Panorama vor unseren Füßen. Keine Zeit anzuhalten und die Aussicht zu bewundern. „Lege den Radschuh ein“ und blitzschnell hat Howlett ihn eingelegt und wir fahren mehr gleitend die Straße von St. Esprit hinunter.

 

 

Über die lange Brücke

 

Ein kurzer Stop am Bahnhof, um Mr Munro absteigen zu lassen, der den Zug nach Paris nehmen muss, und wir sind über die lange Brücke hinüber und durch die Porte Marine. Um die Gleise der Tramway zu meiden, wird nicht die direkte Route Bayonne – Biarritz genommen, sondern der Strecke La Barre gefolgt. Durch die Pinienwälder an der Rennbahn, dann wieder auf der richtigen Route bei Augelet und wir können die ersten Anzeichen unseres Zielortes in Form der „Links“ erkennen, wo sich Kommandos von „les Anglais“ und „les Anglaises“ hart abmühen mit jenem vergnüglichen Spiel genannt Golf. Nur einen Moment später präsentiert sich das hübsche Städtchen Biarritz höchstselbst und nur vier Minuten zu spät halten wir an dem Hotel Continental, wo sich eine große Menge zusammengefunden hat, um die Coach ankommen zu sehen.
Eine vergnügliche Fahrt in angenehmster Gesellschaft. Wenn es Unfälle gegeben hat,
so dienten sie nur dazu, Abwechslung in die Eintönigkeit der Straße zu bringen
und zu zeigen, wie leicht Schwierigkeiten überwunden werden können,
wenn die richtigen Leute auf dem rechten Platz sind.

 

 

Wie „The Rocket“ in Biarritz empfangen wurde

(Von unserem Spezialkorrespondenten)

 

Biarritz, 22. März – Eine Menge aus höchst interessierten Damen und Herren hatte sich auf den Balkonen und der Terrasse des Hotels Continental gestern Abend versammelt um die Coach „The Rocket“ bei ihrer Ankunft aus Pau zu begrüßen. Unter der Menge befand sich auch einer der Coaching Celebrities aus der britischen Metropole, Mr Walter Shoolbred, der die Coach „The New Times“ von London nach Guildford achtzehn aufeinanderfolgende Saisons gefahren hat und am 25. des nächsten Monats seine neunzehnte beginnt. Er ist der Doyen der Londoner Road Coachmen. Ich sah auch Oberst und Mrs Hill James, Major Roper Tyler, Mrs Rooke, Miss Cornish, Mr Forster, General Ives, Vice Consul Bellairs und eine ganze Anzahl von Amerikanern, Engländern,
Spaniern und Franzosen, repräsentativ für alle, die hier wohnen.

Um genau 18:00 Uhr konnte man „The Rocket“, gezogen von vier hübschen Füchsen und gefahren von Baron Lejeune, eindrucksvoll den Hügel aus der Richtung des Leuchtturms heruntersausen sehen – und genau drei Minuten nach dem Glockenschlag streckten die Passagiere ihre Beine und erzählten Freunden von den Begebnissen und Unfällen der Reise – wie auf dem ersten Abschnitt, kaum aus dem Ort Pau, das Stangenpferd widersetzlich geworden war und ausgespannt werden musste. Wie nach dem Verlassen Peyrehorades die Vorderpferde plötzlich umschwenkten und die Deichsel brach, wie eine frische Deichsel, die sehr schlau in drei Teilen gefertigt, und, praktisch für solche Fälle, an die Coach geschnallt war und sofort zur Hand und schnell eingesetzt war. Wie der Baron trotz solch ernster Missgeschicke, wie wir sahen, seine Fracht fast minutengenau ans Ziel brachte.

Es war eine fachkundig durchgeführte Aktion und der alte Veteran aus London war begeistert und brachte mit seiner Gratulation seine Wertschätzung zum Ausdruck. Er erklärte, die Leistung sei den besten Fahrern in England  ebenbürtig und das Gespann eine Zierde für die beste Coach – Linie, wo sie auch sei.

 

Text : H.B.Paggen

Übersetzung: Hartmuth Huber

Quelle:The New York Herald Paris 1893,Sammlung Heinz Scheidel Fotos Archiv Mühlbacher Sammlung Verfasser