Der Fürstliche Marstall in Bückeburg


 

 

Ein Bericht von 1912

 

 

 

 



Der Bericht wird in der originalen Fassung wiedergegeben.

 

In der Fürstlich-Schaumburg-Lippischen Residenz Bückeburg sind vor kurzem die Marstallgebäude einer durchgreifenden   Renovation   unterworfen   worden.    Nun ist der Bückeburger Marstall ein völlig  modernes  Institut , und da sein Leiter Hofstallmeister Rittmeister d. Res. Kammerherr Freiherr von Hammerstein-Loxten viel edles Pferdematerial dort versammelt hat, so werden uns unsere Leser gern auf einem Rundgange durch den Marstall folgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Durch ein Tor mit mächtigen Flügeln gelangt man in einen etwa 60 Meter langen und 40 Meter breiten Glas­-Lichthof, wo die Wagen so untergebracht sind, dass sie, voneinander durch Jalousien getrennt, einzeln  für  sich  stehen. Die Reinigung der Wagen geschieht im Wagenwaschraum, wo von der Decke herabhängende  drehbare  Wasserschläuche  das  Waschen  erleichtern.

Hervorzuheben   ist  im  Lichthofe  noch  der  Schlittenaufzug, der mit allen der Neuzeit entsprechenden Vorrichtungen versehen ist. Die Rückseite des Lichthofes führt zu  den Autogaragen.

 

 

 

 

 

Im  Wagenpark   stehen  die  Gala-Wagen (1)   eine  Coach, die meistens  mit den irischen Rappwallachen Bravo, Appell, Corsar und Attilla   bespannt wird.

 

 

 

 

 

Es folgen Jagdwagen , Landauer, Coupés (2) Viktorias.

 

 

 

 

 

 ein  Char a bancs (4) die Einfahrwagen und Phaetons.

 

 

 

 

 

 Von Interesse ist noch das Governess-Cart des Prinzen Christian mit dem irischen Pony  Piccolo (3)

 

 

 

Nun zu  den Ställen, die außer­ ordentlich nett, fast gemütlich ausgestattet sind. Auf Kokosmatten schreitet man einher. Die Wände ringsum sind  mit  Hirschgeweihen geschmückt. Die Mitte der Längswand,  auf  der  die Worte stehen "Das höchste  Glück  der Erde liegt auf  dem Rücken der Pferde ", ziert der Kopf eines starken Keilers . Noch  andere  sinn­ und lehrreiche Sprüche kann  man an den   Wänden lesen. Im Leibstall ist  das   bunt   ausgeführte  fürstliche Wappen angebracht. Im Jagdstall finden wir in den 18 Boxen neben einigen Ostpreußen einen französischen Vollblüter, die beiden Pikör Schimmel  und  hauptsächlich  Vertreter  englischer Zucht. Der hervorragende Schimmelwallach Halali, die erprobte braune Stute Bärbel, wie die beiden Wallache Sloe-Gin und Clown sind schwere Hunter, während der Fuchs-Wallach Adi leichteren Schlages ist. Außer dem Bestand von 12 englischen Rotschimmeln und einem erst ­ klassigen irischen Rappen-Viererzuge mit weißen  Abzeichen waren bisher nur Rappen ohne Abzeichen  im Marstall.  Fürst  Adolf  bevorzugt  jetzt  hellbraune   Pferde mit dunklen Beinen.

 

 

 

 

 

 

Den Marstall leitet, wie schon erwähnt, der Hofstallmeister Freiherr von Hammerstein-Loxten, ihm unterstellt sind das Marstall Bureau und etwa 60 Angestellte, Futtermeister , Sattel- und Wagenmeister sowie das Stall Personal Schmiede und Tischler .

 

 

 

 

 

 

Ein wirkliches Schmuckkästchen ist die Prunk-Geschirrkammer im ersten Stock des Marstallgebäudes. In Eichenschränken   mit  geschliffenen   Glastüren  werden   die Gala-Geschirre und der bei Trauerfeierlichkeiten nötige Prunk aufbewahrt. Tischähnliche Truhen enthalten Decken und sonstige Ausrüstungsgegenstände. Die Platten bilden Glaskästen, in denen Sammlungen von Mundstücken und Beschlägen aller  Art enthalten sind, die historisch Interessantes  bieten.

 

 

 

 

 

In   der   Mitte der Prunk-Geschirrkammer stützt eine starke Säule, an der Jagdtrophäen, Hörner und Peitschen hängen , die Decke; rings um die Säule ziehen sich am unteren Teil Sitze, von denen aus der Besucher des Marstalls, bequem sitzend wie in einem Museum, die Schmuckstücke  der Geschirrkammer betrachten kann.

 

 

 

 

 

 

Heute gibt es in Bückeburg zwar noch ein Marstallmuseum , das aber leider nur wenige erhaltene Objekte des Hauses Schaumburg Lippe ausstellt. Es gibt noch einen Wagen, eine Berline von Kathe Braunschweig , einige Geschirre und wenige Teile der einstigen Geschirrkammer.

 

 

 

 

H.B.Paggen

Quelle  : Ross und Reiter 1912