Benno von Achenbach-Englische-Anspannung 1911 Teil 8


 

 

 

 

 

 

 

Die Beschläge der Ortscheite müssen mit dem Holze bündig gearbeitet sein, nicht vorstehend, weil man den abgedachten Rand nicht mit der Polierkette fassen kann.(Abb. 1).

 

 

 

 



 

Die Haken und Federn sollen ihren Zweck erfüllen, d. h. die Seiten-Ortscheite und an diesen die Zugössen der Stränge müssen sich leicht aushaken lassen. Sind die Haken zu lang, so erscheinen auch bei richtiger Stranglänge die Vorderpferde zu weit vom Wagen entfernt; sind die Haken zu dick, so klemmen sich die Zugössen darauf fest und platzen leicht. Richtig sind alle Teile auf Abb. 2.

 

 

 

 

 

 

 Die breiten dunklen Querstriche auf dem Ortscheit sind die Absetzung. Bei gelb und rot gewöhnlich schwarz, bei blau, grün, braun sind sie meistens rot oder gelb, dann auch wohl als Längsstriche. Haben die schwarzen Querstriche durch das Polieren der Stahlteile gelitten, so kann sie der Kutscherleicht ausbessern, ohne dass sonst etwas neulackiert wird. Die ganze Vorwage soll so breit sein, dass sie an jeder Seite die Außen-Docken der Sprengwage um 2 cm überragt, der Fahrer hat daran einen guten Maßstab, ob er durchkommen kann, wenn er keinen Fehler macht. Der Mittelbeschlag des Hauptortscheites, das D, schützt das Schwengel holz vor Verletzungen durch die Seitenortscheite. Um Holz und Beschlag zu schonen, macht man die inneren Vorder-Stränge um ein Loch kürzer als die äußeren (Hinter-Stränge V2 Loch = 2V2 cm) (Abb. 3).

 

 

 

 

 

 

 

Erst dann liegt die Wage im Gebrauche richtig. Die hier erwähnten Stahlteile und der Deichselkopf kreischen und nutzen sich sehr schnell ab, wenn nicht 1 vor der Fahrt an jeden Haken ein wenig Fett oder ein Troffen Öl gebracht wird. Beim Putzen sei der Sandlappen peinlich  vermieden , er kratzt mehr Politur als Rost herunter. Das beste mir bekannte Mittel zum Messing- und Stahlputzen ist — vor der Polierkette —
das »Autoheil« (Engelhardts flüssige Putz-Creme).

Die Coach- oder Char-a-banc-Deichsel steht an der Spitze 1,10 m vom Boden, sie ist achteckig. Passend zur oberen und unteren Schiene des bündig eingelassenen Beschlages würde sie quadratisch sein, wenn nicht die abgeschrägten Kanten die achteckige Form ergäben. Ob ein Langbaumwagen alt oder neu ist, die Deichselstange bleibt immer auf ihrer Höhe stehen und verursacht den Stangenpferden bei richtiger loser Anspannung keine Nackenschläge. Bei Wagen ohne Langbaum sinkt die Deichselspitze durch das Gewicht der Vorwage herunter, wodurch die Kummete oben am Halse zu fest aufliegen, auf die Vorderbeine stoßen und drücken. Der Nagel, durch den die Stange befestigt wird, soll an einem Leder so eingenäht sein, dass er nicht zu verlieren ist (Abb. 4).

 

 

 

 

 

 

Die Tritte auf der Sprengwage dürfen nicht größer sein als 13 cm, weil andernfalls durch das nahe Fußbrett das Aufstreifen der Stränge unnütz erschwert würde. Diese Tritte der Docken und die Laternen zu groß zu machen, ist ein Fehler, in den fast alle Wagenbauer verfallen. Je größer die Laternen sind, desto mehr Raum nehmen sie unnütz weg; ich sah erst in diesem Jahre wieder auf einem Concours, dass eine Coachlaterne in der Einfahrt eingedrückt wurde, sie war zu groß und stand zu weit ab, übrigens hätte sie in der Coach hängen sollen. Wäre sie 2 cm schmäler gewesen, so hätte es aber gelangt. Es ist somit nicht nötig, Anglomanen Richtern zu lieb die Lampen zu verschließen, sondern praktisch und deshalb zu empfehlen. Baumelt ein Gast auf einem Eckplatz der Coach mit einem Bein, ist es gar ein Kavallerist oder Reitersmann mit dem Sporn, so ist schon dadurch die Laterne in Gefahr oder beschädigt. In Frage kommen als beste Beleuchtung nur gute Kerzen, weil sie gleichmäßig brennen. Öl wird leicht dick; die Flamme schwalcht, sobald der Docht etwas zu hochgeschraubt ist. Die Laternen sitzen bei der Coach weit zurück, tief und weit auseinander, wodurch sie nicht - die dampfenden Pferde oder den Nebel, sondern den Boden und besonders den Straßenrand neben den Pferden gut beleuchten (Abb. 5).

 

 

 

 

 

Eine Laterne am Fußbrett hat nur einen Sinn bei Wagen ohne Langbaum, weil bei diesen die Ortscheite nicht rasseln, wenn die Spitzenpferde nicht ziehen. Durch die Bockbrettlaterne wollen manche Fahrer feststellen, wie die Leaders arbeiten, d.h. ob sie nicht bergab ziehen oder bergauf bummeln. Diese Beleuchtung der Geschirre und der dampfenden Pferde ist unerträglich blendend; was man vor den Pferden sehen möchte, ist finstere Nacht. bei Langbaumwagen   rasselt die Vorwage sobald die Vorderpferde nicht ziehen . Durch etwas geschärfte Aufmerksamkeit kann man die Arbeit leicht genau nach dem Gehör einteilen. Da die Seitenlaternen sehr breit stehen, so treffen ihre Strahlen vor den Vorderpferden zusammen ,geben also dort, mitten auf der Straße doppeltes Licht. In einer Bockbrettlaterne muss Öl gebrannt werden, weil ein nach unten hervorstehendem Kerzenhalter in jeder Wendung die Kruppe des auswendigen Pferdes unliebsam berühren würde. Dunkelt es früher als man erwartet hatte und drückt die sorgende Hausfrau auf die Pace, damit das Essen nicht verdirbt, so kann der Groom bei etwas verkürztem Tempo leicht in die Coach hineinsteigen, denn die Türen öffnen sich nach vorne und man benutzt gerne den empfehlenswerten Griff  > commode handle < am Kasten neben der Türklinke (Abb.6)

 

 

 

 

 

 

 In der Coach sitzend, zündet dann der Groom eine Laterne nach der andern — vor jedem Winde geschützt — an, wartet bis sie »richtig brennt« und steckt sie zum 4 Fenster hinaus in die Laternenstütze, wo sie durch ihre konische Form des Stiles und die Nase ihre richtige Stellung ganz von selbst einnimmt. Damit den Laternen in der Coach durch Stöße nichts zustößt, hakt man sie nicht an der Decke fest, sondern schnallt sie an Krampen an. Je ein Riemen aus der Ecke hält den Stiel. Die Lehne des »Boxseat« ist zum Abnehmen (Einstecken) gemacht, um in niedrige Remisen gelangen zu können, sie wird mit zwei Riemchen am Geländer angeschnallt, nicht mit angeschmiedeten Haken befestigt, an denen man sich beim Aufstehen die Kleider zerreißt. Das Kissen des Boxseat (d. i. neben dem Fahrer) ist für sich gearbeitet und reicht nur bis zu dem Kasten unter dem Fahrkissen. In dem Kasten bewahrt man die blanken Sachen (eingefettet), die Reserve-Mutterschrauben für die Bolzen und Menotten auf, eine Zugösse für Vorderstränge, einen Schraubenzieher und eine starke verzinnte Kette als Reserve-Aufhalter. Das Peitschenfutteral sitzt am zweckmäßigsten in der rechten Ecke der Bockgalerie, Kasten und Fahrkissen sind darauf einzurichten; rechts am Bock angebracht, ist es dem Bremshebel im Wege, hinter dem Bock, den Knien des Gastes, auf dem Sitz an der Bremse; die Lehnen der großen Bänke haben Scharniere ,man klappt sie herunter, wenn die Sitze nicht besetzt sind. Die Kissen kann man zusammenlegen, um sie leichter in der Coach (in fremder Remise) unterbringen zu können. Das große (oben) und das kleine Reserve-Ortscheit (unten) werden an der Galerie des letzten Sitzes angeschnallt , niemals in Metallblechhaken gehängt. (Abb. 6.) Die Schraubenköpfe sichtbar. Die richtigen Fußbrettgriffe liegen ganz flach und sind so geformt, dass man beim Auffangen der Peitsche nicht daran hängen bleibt. (Abb.7)

 

 

 

 

 

 

Abb.8  zeigt den fehlerhaften Griff, an dem man sich die Mittelhandknochen verletzen und die Peitsche zerbrechen kann. Bezüglich der Lackierung sei noch erwähnt, dass die Deichsel ganz in der Farbe der Räder und des Langbaumes gehalten wird. Alle freiliegenden Eisenteile sind schwarz bis auf die Federn und die Griffe mit ihren Schienen am Fußbrett. die die Farbe des Untergestells haben. Schraubenköpfe und Bänder um Langbaum. Achsen usw., also alle nicht freiliegende Eisenteile in der betreffenden Farbe. Die beste und einfachste Bremse ist die nach hinten zu ziehende Hebelbremse, der Griff wie der einer Feile. Die unsicheren kleinen Zähne, wie sie bei Druckbremsen sind, fallen hierbei fort. ( Abb.9)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Zugbremse hat drei Vorteile vor der Druckbremse. Sie lässt erstens beim Auf- und Absteigen den Weg frei, zweitens je stärker der Fahrer bremst, desto weiter neigt sich sein Oberkörper zurück, wodurch "gleichzeitig die Leinen verkürzt werden, drittens geht einmal Not an Mann, so kann der Gast »an der Bremse«, d. h. der hinter dem Fahrer sitzende, sehr gut helfen, was bei der Druckbremse ausgeschlossen ist. Der Bremshebel kann bei richtig gearbeiteten Zähnen ganz leicht an diesem anliegen, die Handhabung ist dann sehr bequem und doch absolut sicher, auch fällt das abscheuliche Geräusch, wie es bei einem stark an gepressten Hebel nicht zu vermeiden ist, weg.  

 

 

 

 

 

 

Abb. 11 zeigt, warum der Radschuh, wo rechts gefahren wird, rechts hängen muss; auf der Zeichnung sieht man, wie die Kette den Hinterwagen auf der rechts abschüssigen Straßenseite zum Graben hinzieht. Der Stockkorb wird links an der vorletzten Bank befestigt, das Hornfutteral daneben, wenn der Groom der Bläser ist," andernfalls an der gleichen Stelle der rechten Seite für den ersten Kutscher. Es gibt Leute, die nur an der linken Seite der Lippen das Horn blasen können, trifft das beim ersten Kutscher zu, so wird man ihn gegen die Regel, um ihm das schwierige Blasen nicht noch zu erschweren, links sitzen lassen. Gute Schirme werden durch die Reibung am Geflecht des Korbes nicht besser, sie liegen vorteilhafter in der Coach unter den Laternen bei der zusammengelegten Reservepeitsche. (Abb.12)

 

 

 

 

 

 

 

Man lässt die hölzernen Läden meistens herunter und schließt die Glasfenster, wenn ein Herr oder eine Dame fährt, die Amerikaner machen daraus eine Wichtigkeit; auf den Meets der beiden Londoner Klubs sah ich, dass sie keine Regel daraus machen. Fußbremsen, wie man sie außer der Handhebelbremse bei Public-Coaches in England sieht, sind nur im Sommer brauchbar, wenn man keine dicke Decke oder Fußsack benutzt; man sollte sich nicht damit verwöhnen, jeder, der das tut, ist unsicher, ja hilflos, soll er einmal eine andere Coach fahren.

Der Fahrer benutzt im Sommer ein »Apron«, also eine kleine Schürze aus leichtem Waschstoff oder Covercoat über die Knie zum Schutze der Kleider gegen die links herabhängenden Leinen; zum Herbst muss man gute große warme Decken haben: für den Bock eine »V«-Decke (Abb.13)

 

 

 

 

 

 

für die beiden anderen Bänke, wenn sie zu vier Personen sind: je zwei »V«-Decken; wenn zu drei Personen: je eine »V«-Decke' und je eine kleinere grade. Für Regenwetter ist es sehr zu empfehlen, immer einige leichte Regenkragen mitzuführen und drei große Stücke Gummistoff oder Wachstuch. Letzteres ist spottbillig, dicht und leicht, es hält viele Jahre. » Char-a-banc.« Weder die Engländer noch wir haben ein Wort dafür (der Engländer spricht »schärrebäng« . Wer in den Bergen wohnt, schlechte Wege hat und mit sieben Plätzen auf dem Wagen auskommt, dem kann ich einen char - a – banc empfehlen, den ich zwar selbst entworfen habe (er ist bis jetzt elfmal gebaut worden), von dem aber wegen seiner praktischen Einfachheit Mr. Vivian Gooch, Windsor, ein ganzer Kenner und Könner, mir sagte, es wäre der beste > char-a-banc < den er je gesehen hätte. Der Wagen ist »einfach« das Vorderteil und Hinterteil der Coach, in der Mitte eine Bank für drei (oder vier) Personen. Alles Unnütze ist vermieden, jeder Schnörkel, jede Schmutzecke. Über die Entstehung dieses Wagens möchte ich einiges berichten, weil es lehrreich ist: (Zweck dieser Zeilen.) Ich machte die Skizze für einen leider in der Blüte seiner Jahre verstorbenen Freund 1898. Wir gingen zu Holland & Holland, die die Skizze gut fanden. Dort stand ein langer schwerer »secondhand« char-a-banc mit vier Bänken hinter einander, davon zwei a vier Personen. Der neue Wagen sollte nicht viel kosten, H. & H. schlugen vor, das Gestell zu benutzen, den Langbaum zu verkürzen und den kleinen Kasten darauf zu setzen. Der Wagen kam, sah sehr gut aus, aber er hatte große Fehler. (Abb.14)

 

 

 

 

 

 

Die Federn waren für den kleinen leichten Kasten und sieben' anstatt zwölf Personen viel zu hart, der ganze Wagen so kurz, dass er hin und her schleuderte. Die Spur des ehemaligen »full size« ganz unnütz breit, desgleichen der Wagenkasten und der Bock. Heute ist der Kasten vorne 80 cm, hinten 90, der Bock außen 109. Der ursprüngliche viersitzige Holland- Wagen maß ohne Fußbrett 2,83 m, der umgebaute zu kurze 2,35 m. Als in den umgebauten Holland char a banc die Deichsel gesteckt wurde (2,90 m von der Sprengwage bis inkl. Viererhaken), erschrak ich über seine Kürze. Als aber die vier Pferde vorgespannt waren und ihn sieben Personen bestiegen hatten, wodurch er um ca. 90 cm höher erschien, wurde das Missverhältnis gewaltig, fast wie bei dem Turmphaeton aus Mailand, dessen Räder sich ungefähr berühren und der nur auf tadelloser Straße bei kurzem Tempo brauchbar ist. (Abb.15)

 

 

 

 

 

 

Fürs Auge ließen die Jalousien den Wagenkasten durch die Unterbrechungen
besonders kurz erscheinen.

 

 

 

 

 

 

Den elften char-a-banc, ähnlich (Abb.16) baute kürzlich Kühlstein, Charlottenburg für Kommerzienrat Hardt in Lennep, er ist nun wohl tadellos nach dem aufmerksamen Studium während 14 Jahren. Sein Bild folgt in einer der nächsten Nummern, er wiegt komplett rund 650 Kilo. Derselbe Wagen, aber nicht nachahmenswert, findet sich in Fairman R o g e r s :
a manual of coaching, aus dem ich ihn zum Vergleiche bringe.(Abb.17)

 

 

 

 

 

 

Abgesehen von den vielen unnützen Schnörkeln, Ecken, Wellenlinien, witzlos verschiedener Höhe aller drei Bänke und dem Fehlen des Langbaumes hat der Wagen auf jeder Seite 13, also 26 Tritte und Gelegenheiten zum Aufsteigen, die reine Hühnerleiter von oben bis unten. Rogers Beschreibung dazu ist mir unverständlich, sie beginnt damit, es sei ein French char-a-banc, das ist sicher wahr. Dann: »The driving seat is exactly like that of a coach« Es ist doch wohl nicht an dem. Unfasslich, dass ein Kenner wie Rogers diese stillose Kiste in den höchsten Tönen besingt, denn ihr geht jeder Geschmack, jeder Stil ab. Die Zahl der char-a-banc-Modelle ist Legion. Zu empfehlen ist als leicht (Abb.16), nimmt man ihn etwas schwerer, so dass die Mittelbank für vier Personen ist, so steht er dann in jeder Beziehung erheblich über (Abb.18 und 19) denn diese Wagen haben das Gewicht einer leichten Coach aber nicht ihre Vorteile. Die vier Personen im Wagen können ebenso gut in einem Mietlandauer fahren — nur nicht so bequem —sehen auch nichts von den Pferden, haben höchstens Nerven, weil sie nicht sehen können, was vorne vorgeht, so dass sie sich dauernd ängstigen. Statt eines solchen großen char--banc nimmt man viel besser eine gute richtige und dadurch leichte Coach.

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.19 ist von Holland & Holland gebaut, Abb.18 von Binder, Paris. Das Ursprungsland ist auf den ersten Blick zu erkennen. Charakteristisch englisch praktisch: der Langbaum bei dem hoch liegenden Schwerpunkt, das flache Fußbrett, die Pferde  darunter , die Stellung der Laternen, der Dienersitz.
Typisch Französisch sind: der zerbrechlich angeklebte abnehmbare Dienersitz, die unpraktische, weil häufig zu spät wirkende Radbremse, der Platz der Laternen, das steile Fußbrett, der Haken für ein Seil unter der Deichsel,die in Haken hängenden Reserveortscheite. ( Anmerkung : der Haken unter der Deichsel in Frankreich , wurde für die Anspannung a La Poste benötigt , die in Deutschland fast nie praktiziert wurde. In Frankreich wurden diese Wagen seit Mitte des 19Jh.tradionell sehr oft zur Jagd benutzt und meistens a la Poste gefahren ) 

 

 

 

 

 

Textaufbereitung : H.B.Paggen

Quelle: Sankt Georg 1911