Benno von Achenbach-Englische-Anspannung 1911 Teil 11 Tandem


 

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Das Gesamtbild eines Tandems muss, um gut  zu sein, den Eindruck eines guten, alten englischen Bildes machen. Dazu gehört als unumgänglich notwendig eine stilreine Cart, die außerdem fachmännisch beurteilt keine Fehler haben darf, wie: schlechtes Balancieren, schmale Spur, enge, vor den Krampen (Stopps) zu lange Scherbäume, unbequeme Sitze, am Spritzleder angebrachte Laternen, fehlendes oder ungenügend bewegliches Ortscheit, so kleine Abmessungen, dass man nicht bequem zu Vieren sitzen kann. Die Pferde dürfen nicht groß und langweilig sein, sondern lebendig und spritzig sein, mit Aktion und, wie nochmals hervorgehoben sei. mit aufmerksamer Ohrenstellung. Auch vom Bock aus gesehen macht ein Pferd, das die Ohren häufig spitzt, überhaupt ein lebhaftes Ohrenspiel hat, dem Fahrer besondere Freude. Das Tandem hat vordem Zweispänner, außer dem Sport, noch voraus, dass man ziemlich verschiedene Pferde wohl voreinander, hingegen schlecht nebeneinander fahren kann, z.B. einen Cob hinten und einen hochedelen Polo Pony, leichten Haeknev, ]ucker oder Vollblüter vorne. Das Geschirr muss, wie die Cart, um sicher und anständig  damit fahren zu können aus einem Guss, in Stil , Abmessungen und Sitz richtig sein und richtig aufgelegt werden. Im Stil  falsch ist z.B. ein mit großen Wappen und Kronen oder Verzierungen beladenes, aus Coupe- und halbem Zweispänner- zusammengestoppeltes Geschirr, von denen womöglich das eine alle Teile rund, das andere eckig hat. Unmöglich wären lacklederne verzierte Nasenriemen mit Plattierung, Spieler mit Wappen: an Strangträgern, Stößeln, auf Schlagriemen oder Hinter Geschirr. Das Geschirr muss messing- oder silberplattiert sein (wenn nur fürs Land zum Naturholzwagen, ist das nicht nötig  leicht und ohne unnütze Dinge. Es scheint ganz selbstverständlich, dass der  l e i c h t e  Leader auch ein  l e i c h t e s  Geschirr trägt, ganz gewiss nicht mehr Riemzeug als der Wheeler, der die große Gart mehr als zur Hälfte zieht und ganz allein aufhalten muss. Auf den Shows sieht man das häufig umgekehrt, weil das Vorgeführte kein Tandem  ist, vielmehr nur zwei Pferde eines Züchters, Händlers oder show-Spezialisten: Das Spitzpferd hat einen Rückenriemen mit Strangträgem, damit die Stränge in Augenblick möglichen «Durcheinanders weder unter die Hinterbeine des vorderen, noch unter die Vorderbeine des-hinteren Pferdes geraten.

 

 

 

 

 

 

 Ein anderer, sehr hässlicher. in Keinem anderen Anspann vorkommender »Angstriemen«, Abb. 1, liegt unter dem Bauche von Strang zu Strang und soll verhüten, dass der Außen-Vorderstrang in Wendungen über die Hüfte auf den Rücken kommt, was im Tandem bei richtigem Fahren ebenso gut verhütet werden kann, wie im Viererzuge, nämlich durch lose Vorderstränge, wie es sich in jeder Wendung gehört. Um die Gleichartigkeit der Geschirre zum Ausdruck zu bringen, macht man beim Vorderpferd eine winzige Selette (also passend zu der großen des Gabelpferdes) nicht aber, wie. man es leider oft sieht, einen Kammdeckel. Hat das Gabelpferd kein Hinter Geschirr und keinen Schlagriemen, so glaubt das sehende und verstehende Auge, das Tandem habe unterwegs die Hälfte seines Geschirrs verloren, so nackt erscheint der Wheeler hinter der Seilette im Vergleich zu dem in Riemzeug eingepackten Leader. Beim Gabelpferd treten nackter Rücken und Hinterteil umso mehr in die Erscheinung, als hier die Sellette wegen ihrer Breite und das Kummet näher beisammen liegen, sodass Kopf und Hals durch Hinter- und Vorderleinen vermehrt in Riemen stecken. Man denke sich das Hinter Pferd auf Abb. 2a ohne Schlagriemen!

 

 

 

 

 

 

Braucht man kein Hinter Geschirr, so empfiehlt sich ein Schlagriemen, dessen Schnallen nicht massiv Messing oder Neusilber sein dürfen, sondern die geschmiedet und dann plattiert sind, da erstere schon bei einem V ersuche auszuschlagen nachgeben und das grollte Unglück entstehen kann. Wer in den verschiedensten Gegenden zu allen Jahreszeiten (Fliegen) mit allerlei Pferden ein Menschenalter hindurch Tandem gefahren hat. fährt gerne mit Schlagriemen und Bremse. Wer allerdings seine Pferde so erbarmungslos hoch aufsetzt,wie es jetzt auf den Shows geschieht, der braucht kein Schlagen zu fürchten. Weil das Spitzpferd leicht und besonders flink, das Gabelpferd in erster Linie sicher auf den Beinen sein muss. also tief- und kurzbeinig, so kann dieses eher etwas kleiner sein, folglich dasselbe Verhältnis zeigen, wie der große Fahrer, der Herzog von Beaufort es bei einem Viererzuge liebte, den: »quick, sharp trot of a little team of fresh horses......and for appearance we prefer the small, thick wheeler, and the tall light leader«.

 

 

 

 

 

 

 

Wir haben schon betont, daß man, um sicher zu fahren, richtig anspannen muss. Das Gabelpferd muss dazu soweit vom Wagen entfernt sein, dass das Fußbrett des ganz nach vorne geschobenem Wagen, wie es bei vier Personen unbedingt nötig ist. nicht gegen Kruppe oder Schweifrübe schlägt; die Scherbäume werden dadurch vorne so kurz, dass sie sich nicht unter der Strangstutze festsetzen können und die Leine nicht an ihnen hängen bleiben kann. Die Maße der Leinen sind für Pferde um 1 m 68 cm so zu empfehlen, wie für die Coach: 4 m 20 cm und 7 m 20 cm. Der Raum zwischen Forderung Hinter Pferd ist dann dem zwischen den Coach Pferden gleich, er erscheint erheblich größer, weil die drei schweren Ortscheite, die Deichsel mit Haken, Brille und Aufhalte Ketten fehlen. Man muss diesen Zwischenraum beim Tandem beibehalten, damit bei einem Stutzen des Leaders oder plötzlichem Vorprellen des Wheelers und frischem Galopp einen kleinen Hügel hinauf, die Pferde sich nicht gegenseitig in die Eisen treten. Die Ansicht, dass das Tandem sicherer sei. wenn man das Spitzpferd möglichst nahe hat, ist grundfalsch und beruht nur auf Unkenntnis »oder Nervenschwäche. Schlägt oder fällt das Spitzpferd, so lernt man lange Stränge würdigen, kurze verdammen. Ist der Leader ein launiger Hund und will kurzkehrt machen, so ist es ganz gleichgültig, ob der Raum hinter ihm 20 cm mehr oder weniger beträgt. Vom ästhetischen Standpunkte, durch den Kenner betrachtet, wirkt ein gedrungen angespanntes Tandem unschön, weil dieser auf den ersten Blick die Fehler und ihre zugehörigen Gefahr-momente versteht, ferner, weil die zwei Pferde wie ein langes Ganzes wirken, dem ein viel zu kurzer Wagen anhängt. Ist dagegen ein Tandem richtig angespannt, so bildet das Gabelpferd mit der besetzten Cart ein Ganzes, bei dem der besetzte Wagen im Verhältnis zum Pferde reichlich schwer erscheint. Hierzu wünscht das Kennerauge das Spitzpferd als Vorspann. Der richtige, nötige und daher schöne Zwischenraum ist wohl begründet. Sind diese Verhältnisse nicht richtig, so ist kein Stil in dem Ganzen: Stil in den Details können das Gesamtbild nicht gut machen, gehören aber wie ein schönes Service und wirklich geputztes Silber zum guten Dinner.

Das Kopfstück des Vorderpferdes ist gleich dem des Einspänners, ebenso das Kummet mit Hügeln und Strangstutzen, jedoch möglichst leicht. Die übrigen Geschirrteile: Sellette mit Rücken- und Schweifriemen, sowie lange Leine und Stränge sind anders als bei jedem sonstigen Geschirr. Die Sellette sei so leicht wie möglich, weil sie nichts auszuhalten hat. Man macht jetzt vielfach (besonders in Amerika) vorne eine Art Kammdeckel, der zur wirklichen Sellette des Gabelpferdes wie die Faust aufs Auge passt. Ein solches Ding macht den Eindruck eines umgeänderten Kammdeckels Auf den Leader gehört eine kleine Sellette  ebenso wie Pferden der 'd'Aumont-Bespannung auf die Handpferde Sellettes aber keine Kammdeckel.

 

Der Schweifriemen: am besten ein sogenanntes Martingal-Schweifriemen Abb.3

Der Rückenriemen mit den Strangträgern liegt dicht vor der Hüfte mit dem Schweifriemen' un verschiebbar genäht. Die Strangträger, wie ein Martingal-Ende gearbeitet, dass  die Vorderleine nicht daran hängen bleiben kann. Abb. 3

 

 

 

 

 

 

 

Die Vorderleine  : 7 m 20 cm ist aus je vier Stücken zusammengenäht. Genaue Angaben darüber:

Sankt 'Georg N.46    Vorderstränge   3 m 30 cm. Der Leader kann auch in einer  Siele gehen. Dies ist besonders am Platz, wenn man ihn auf Trense fährt.  Buxton-Kandare mit vollem Aufsatzzügel ist sehr amerikanisch. Am Kopfstück des Gabelpferdes sind Laufringe für die Vorderleinen mit zwei Querbalken. Abb. 4.

 

Neigt das Gabelpferd dazu mit dem Kopfe zu schlagen, so gibt man ihm einen Sprungriemen zum Nasenriemen, man erspart dadurch dem Spitzpferde die Stöße ins Maul. Das schließt aber nicht aus. dass man sorgsam die Ursache des Kopfschlagens festzustellen sucht, die häufig das Scheuern des Kopfstückes an den Schläfenbeinen ist. (Zu hoch liegende Scheuklappen oder zu kurzer Stirnriemen. Sitzen die Laufringe für die Vorderleinen auf oder dicht unterhalb der Rosetten, so entstehen unbedingt auf die Dauer Druckstellen, die Vorderleinen laufen mitten über die Scheuleder. Abb. J, verkratzen diese und drücken in allen Wendungen gegen das äußere Auge. Die Laufringe am Kehlriemen anzunähen ist besser, doch liegen sie dann tiefer als unbedingt nötig ist: das B e s t e ist. sie mit einem Riemen von rückwärts in die Schnalle des K e h l r i e m e n s , nicht des B a c k e n s t ü c k s zu befestigen, dessen Schlaufen weit genug sein müssen, um zwei Schnallstrippen aufzunehmen. Abb. 4 Die Leinenaugen des Kummets müssen beweglich sein und sich ganz flach anlegen. die Sellette und der Trageriemen s e h r stark. das Kissen gut gepolstert und hoch, die Kammer weit vom Widerrist entfernt sein. Der Schlagriemen oder das Kreuz des Hinter Geschirrs liegen hinter der Hüfte.

 

 

 

 

 

 

 

Die Länge der Hinter Stränge hängt von der Bauart der Cart ab. Abb. 5

Die Strangschnallen haben Fortsätze mit Augen nach vorwärts-abwärts, in die die V orderstränge gehakt werden. Da somit die Hinter Stränge vorne an den Stutzen geschnallt werden, so haben Ketten-Enden keinen Sinn.

Abb. 5. Der breite, am Brustbein gepolsterte Gurt der Sellette hat eine einem Ringe ähnliche Schlaufe zum Durchziehen des stets lose zu schnallenden S c h w e b e g u r t e s , damit dieser die Haut an den Ellbogen i ) nicht kneift. Er muss besonders stark und breit sein, sich trotzdem in der Sellette leicht hin- und herschieben; ebenso kräftig müssen die Ledertrageösen, Schnallen und Schlaufen sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb. 9 zeigt die Anspannung mit Doppelortscheit, sie macht viel Arbeit beim Putzen und ist mit gutgehenden Pferden auf den meisten Straßen entbehrlich. Für besonders steile Kurven bergauf und sehr spitze Winkel ist sie gut. Bergab jedoch erzeugt sie durch ihr Gewicht leicht Druck vor den Widerrist. Das Vorderortscheit misst 75 cm. dass zweite 57 cm, der Zwischenraum 12 cm, das Kettchen 25 cm, die kurzen Stränge mit Haken 50 cm. Die zugehörigen Vorderstränge 2 m 50 cm. Ortscheite und Beschläge solide, aber so leicht wie möglich. Die Vorderstränge liegen in den Wendungen mit diesen  Bars ideal: mit einem Travers nur in der Mitte befestigten Ortscheit ausreichend gut. Ohne Ortscheit jedoch schlecht. Abb.2 a und b

Für die Tandemcart sind wegen ihrer soliden schmalen Nabenbänder Mailachsen sehr zu empfehlen: die Spur etwas breiter als die Gleise der elektrischen Hahn: man kommt leichter hinein und heraus, wenn nicht beide Räder gleichzeitig an schlecht liegen den Schienen Widerstand finden.

 

Zur eigenen Sicherheit ist es unumgänglich notwendig: Stränge, Ortscheit,  Gurten. Leinen. Gebisse und ihre Lage nachzusehen, ebenso Räder mit Stummelachsen, die etwas Spiel haben müssen, sie laufen nur dann leicht und richtig und das steife Fett verteilt sich besser.

Der Peitschenschuh muss neben oder hinter dem Fahrkissen sein, niemals vorne an dem verwerflichen Spritzleder. Will der Fahrer die Peitsche aus der Hand legen. so soll er sich nicht vorbeugen müssen, er verlöre dadurch die Verbindung mit den Pferden und würfe dem Gabelpferd plötzlich viel Gewicht auf die Vorhand, was auf dem Asphalt oder bergab gefährlich werden könnte.

Unmögliche Dinge sind an einer Tandemcarl: eine Leitseilstange, Gummiräder oder gar a la Lady Georgina Curzon: Bockbrettlaterne und Zügelhalter. Die Bremskurbel und Verstell Vorrichtung müssen dem Fahrer bequem liegen, sodass er ein durch das Bremsen erzeugtes Vordergewicht durch Zurückschieben des Kastens ausgleichen kann. Bei einem sehr steilen Berge hilft man sich am leichtesten, indem man den Groom sich hinten auf den Tritt stellen lässt; das gibt so viel Hinter Gewicht, dass man sehr stark bremsen kann, ohne dass das Gabelpferd im Mindesten belastet wird.

 

 

 

 

Textbearbeitung : H.B.Paggen

Quelle: Sankt Georg  1911  Sammlung Verfasser