Von ISTANBUL nach ROTTERDAM


 

Eine holländische Coach-Fahrt über 3404 km in 39 Tagen zur Erinnerung an den Beginn der Tulpenzucht
Bericht von Max Pape aus dem Jahr 1961

 

 



Im Zeitalter des Motors sind Leistungsfahrten mit Pferden etwas Ungewöhnliches geworden. Wenn daher ein passionierter Pferdemann es unternimmt, zu einer Fahrt über 3404 km zu starten, so muss schon eine besondere Veranlassung vorliegen. Diese war gegeben durch die große Blumen- und Zwiebelschau „Floriade", die anlässlich der Hundertjahrfeier des Königlichen Vereins für Blumenzwiebelkultur in Rotterdam stattfand.

Die Vorgeschichte zu diesem Unternehmen liegt 400 Jahre zurück, als der damalige österreichische Diplomat flämischer Abkunft Ogier Chislain de Busbecq, der um 1560 Kaiser Ferdinand I. am ottoma­nischen Hofe vertrat, als botanisch sehr Interessier­ter in Anatolien die Blumenzwiebeln entdeckte und diese von dort nach Holland überführend, seinem Freund Clusius in Leiden, dem späteren Professor der dortigen Universität, schenkte.


 

Der unermüdliche holländische Viererzug in der Nähe von Kavalla in Griechenland.

 

In Erinnerung an dieses Ereignis, das der Beginn der holländischen Tulpenzucht wurde, kam der Vorsitzende der Floriade, Kleinboer, auf den Gedanken, diese Europafahrt zu unternehmen als Auftakt der Feier. Dieser Gedanke wurde von Joop v. d. Touw, der in Den Haag ein großes Transportunternehmen besitzt, sofort aufgegriffen und nach entsprechender Vorbereitung von ihm in die Tat umgesetzt.

Anlässlich des Aachener Turniers, zu dem Herr v.d. Touw alljährlich mit besten Pferden als Teilnehmer in den Wagenpferdkonkurrenzen kommt, war er, auch diesmal anwesend und zwar mit den Pferden Hans, Robert, Vallgraf und Johan. Nach den Konkurrenzen hatte ich Gelegenheit, mich eingehend mit ihm über seine Fahrt zu unterhalten, die ich im Fernsehen im Ausschnitt auf dem Bildschirm gesehen hatte. Es durfte auch im Interesse der holländischen Pferdezucht sein, eine Schilderung des Verlaufs zu geben.

 

Herr v.d. Touw  1953 in Aachen mit einer anderen Coach

 

Die wohlüberlegte Vorbereitung der Fahrt hat sich in allen Einzelheiten bewährt. Es wurden mitgenommen: 6 Groninger Pferde und 4 Geldern'sche Pferde zwischen sieben und neun Jahren aus dem eigenen Stalle. (Eins davon ist gestorben an Lungenentzündung in Istanbul, bevor die Fahrt von dort begann). Die Pferde wurden in Den Haag verladen und von dort auf dem Landwege nach Istanbul in zwei Stallwagen überführt. Ferner war ein Schlafwagen, der für diesen Zweck für die 16 Teil­nehmer der Fahrt umgebaut war, ein Küchenwagen, ein Wagen mit Ersatzteilen und Feldschmiede und ein Tankwagen bei der Karawane, bei der zwei schwere Zugmaschinen und ein Sattelschlepper eingesetzt waren. Während der Hinfahrt wurden die Pferde alle 200 km aus dem Wagen geholt und eine halbe Stunde lang bewegt.

 

Erster stürmischer Empfang nach der Abfahrt von Istanbul


Am 30. Marz begann nun die pferdebespannte Rückfahrt von Istanbul aus, die ein Triumphzug für die Teilnehmer werden sollte und überall ungeheures Interesse hervorrief. Auf den flachen Straßen durch die Türkei, Griechenland, Jugoslawien, Osterreich und Deutschland wurde wiederholt auch zweispännig mit Pferdewechsel alle 30 km gefahren, zum größten Teil aber vierspännig vor einer echten alten Postkutsche durch Herrn v. d. Touw. Die Fahrer in alten historischen Kostümen der damaligen Zeit.

Zwischen Nisch und Skopje, dem ehemals türkischen Usküb.
Der Zug überquert die Wardar­Brücke, die mitten in der grandiosen Landschaft Jugoslawiens liegt.

 

Eine Frage, die man sich vor Antritt der Fahrt in holländischen Fahrer- und Reiterkreisen gestellt hatte, ob diese nur in der Ebene sich betätigenden Groninger und Geldern'schen Pferde sich mit den unglaublichen Wege Verhältnissen und Steigungen bis 30 Grad abfinden würden, hat in ihrer vorbildlichen Erledigung den Beweis der Leistungsfähigkeit dieser Züchtungen erbracht. In Jugoslawien, so erzählte von der Touw, hätten Pferdehandler dort Himmel und Erde in Bewegung gesetzt, um einige der Pferde kaufen zu können. Da von Beginn die Reiseroute festgelegt war und voraus avisiert, war der Enthusiasmus unterwegs überwältigend.

 

Bei der Abfahrt in Istanbul waren wohl 300 000 Zuschauer, bei dem Halt in Saloniki 100 000, in Belgrad 200 000, in Zagreb 100 000 usw. während auf der Hinreise Tag und Nacht durchgefahren und die Strecke in fünf Tagen erledigt wurde, hatte man für die Rückreise 39 Tage benötigt. Während bei den ebenen Wegen im Zweispanner gefahren wurde, legte man auf den schlechtesten Straßen (es konnten nur sekundäre Wege benutzt werden) und in den Bergen den Viererzug vor die Postkutsche, der alle 50 km gewechselt wurde, derart, daß ein Stallwagen 50 km vorausfuhr und der fertig geschirrte Viererzug bereitstand zum Pferdewechsel.

 


Empfang in Belgrad vom Kutschbock ausgesehen.
Auch die Einwohner der alten serbischen Residenz gaben den Niederländern das Geleit.

 

 

Mitgenommen wurden 160 Hufeisen, wovon 44 verwendet wurden. Ein besonderes Lob wird den vorzüglichen deutschen Schraubennageln von Stahl gezollt, die diesen geringen Verbrauch bewirkten. Manche Unglücke und manches Scheuen der Pferde sind durch die Scheuklappen verhindert worden. Auf die Fahrt waren mitgenommen 70 Säcke Hafer und 60 Ballen Heu. Von Zagreb an musste dann laufend neues Heu gekauft werden.

Durch den Empfang in den großen Städten ging viel Zeit verloren. In diesen Fällen wurde auch nachts durchgefahren. Alle Schwierigkeiten von unglaublichen Sumpfwegen an der türkisch-griechischen Grenze, Regen, Hagel, wracke Brücken ohne Lehnen mit ausgefallenen Planken, Schneestürme wurden von Mann und Pferd überwunden. Das Zusammenwirken des ganzen Teams zum Gelingen war vorbildlich, und so konnte Herr v. d. Touw in der Gewandung des historischen Diplomaten seine Zwiebelfracht zur festgesetzten und vorgesehenen Zeit abgeben. Die holländische Pferdezucht kann ihm dankbar sein für seine Tat.

 

 

Textbearbeitung H.B.Paggen

Quelle : Text von Max Pape 1961 Sammlung Verfasser