Der ehemalige Königliche Marstall in Berlin Teil 2


Die Beschreibung der Wagen B.v.Achenbach 1919 Teil 2

 



Um das alte und neue Coupé-Modell richtig vergleichen zu können, fehlt leider eine ältere Aufnahme. Der Leser kann sich aber einen Begriff machen, wenn er sich das Abwechseln von Ecken und Kurven der Viktoria auf das alte Coupé übertragen denkt; gut zu sehen sind auf Abb. 5 die dünnen geschmacklosen Tüllen Räder, die Phaeton-Laternen, die Druckbremse mit Federgriff, die unglücklich am Wagen klebende Bremskonstruktion und die Blechdocken. Ein Coupé ist in erster Linie für kaltes schlechtes Wetter gedacht die Fenster müssen daher sinngemäß klein sein und um sie nicht dauernd geschlossen halten zu müssen soll ihr unterer Rand möglichst hoch liegen, denn in der Stadt gehen die meisten Pferde mit Strickeisen und Korksohlen, die bekanntlich bei nasser Straße ganz unmanierlich weit und hoch spritzen. Übrigens sind auch die offenen Wagen höhergestellt worden als früher, weil auf gesprengter Straße die Kleider und Mäntel sehr litten. An den alten Coupes ging eine unschöne völlig sinnlose blanke Leiste um den ganzen Wagen. Da Wagen nicht immer neu sein können, so war von den Leisten bald das, Silber heruntergeputzt, so dass sie ganz rot wurden. Durch das Putzen entstanden neben den Leisten abscheuliche graue Streifen auf dem Lack (durch Metallputzmittel) Der Leser, wird vielleicht einwenden, das an den Bockkränzen der neue der neusten Wagen ebenfalls blanke Leisten seien. Das hat seinen Grund darin, dass sie hier, ähnlich wie bei Wagen mit Lederverdeck, die Nähte schützen und verkleiden, dann, dass die Putzmittel das im Feuer lackierte Leder nicht angreifen, während das beim Kutschenlack in hohem Maße der Fall ist. Um die alten Coupés lief über Türen und Fenster eine Leiste, stand der Wagen vorgefahren, die Räder der Ausstiegseite tief, so floss ein Bach vom Dache den Aussteigenden in den Nacken. Diese Dachleiste ist in eine Metallrinne verwandelt worden, die das abfließende Wasser rückwärts der Tür als richtige Dachrinne seitwärts des Ausstieges ableitet.

 

 

Abb. 6 zeigt das neue Coupé, die Türgriffe passen zur ganzen Linie,
das Zahneisen steht nicht mehr an,
Bockkranz vor, nur waren bei der Aufnahme die Zylinder-Laternen noch nicht fertig,
die nicht praktischer sind, die aber der Schönheit und des Stils wegen eingeführt wurden.

 

 

Bild 7, das mit Rapphengsten bespannte Coupé d'Orsay Ihrer Majestät, von Kühl-stein 1906 gebaut, ist in jeder Beziehung gut ausgefallen. Die Räder erscheinen auf der (durch den Standpunkt des Photographen, den Pferdeschultern gegenüber) verzeichneten Aufnahme etwas klein. Die Anlehnung der Form an die schönen a I t e n Modelle lässt einen solchen Wagen nicht aus der Mode kommen, er ist es wert, als Vorbild zu dienen. Ich finde an der ganzen Aufnahme nur den einzigen Fehler, dass der Kutscher in der Mitte sitzt, es sieht danach aus, als ob die Kaiserin ohne Diener gefahren' wäre. Das Coupé ist zu vergleichen mit den Bildern 8 und 9.

 

 

 

Diese sind: abschreckendes Beispiel und Modell. Abschreckend sind, wie immer, aber ganz besonders unter der sehr schweren unendlich langen „Clarence“, die Tüllen Räder mit ihren zugespitzten Speichen, ferner die beiden Eisenlangbäume die wie Wasserrohre ausschauen. Am Wagenkasten ist die Linie abwechselnd rund und eckig, das kommt mir vor wie wenn an einem Dom abwechselnd romanisch eines gotisch wäre. Die Polsterung der Wagen dieser geschmacksverirrten Zeit war kornblumenblauer Atlas, eine brutal aufdringliche Farbe. Abscheulich disharmonierten die Fußteppiche dazu, die schon neu nicht passten, nach kurzer Zeit aber ganz grün verschossen wirkten. Für die neuen Wagen bestimmte Oberstallmeister von Reischach dunkelblaues Leder, das nicht nur schön war, sondern auch ausgezeichnet hielt. An den eleganten Wagen sind nahezu vorsintflutlich die Drehorgel und das schwarze Bockkissen mit olivfarbenen Plüscheinsatz. Wie klassisch schön ist dagegen das alte Coupé mit dem Holzlangbaum und der herrlich in Falten hängenden Bockdecke. Der Wagen ist so schön, dass man nicht fassen kann, wie in einem Marstall, in dem ein solch herrlicher Wagen steht, ein Monstrum wie die Clarence ihren Einzug halten durfte. Der Fahrfachmann, das ist ein solcher der alle Wagen im Gebrauch studiert hat, kann von Auswüchsen, wie die Clarence einer ist und fast alle wagen der Zeit nach 1870, nur das Bild einer schauerlichen Brücke im Gedächtnis behalten, die die Belastungsprobe nicht bestanden hat.

 

 

 

Abb. 10 und 11 zeigen geschlossene Wagen, 10 im Marstall früher „Stadtwagen“ genannt, Nr. 1 lKrönungs Wagen für König Friedrich 1 er ist vor etwa zehn Jahren einmal für einen Königin Luise Film angespannt worden. (Abb. 12). Die symmetrische Bauart und die schönen Linien sind später gänzlich verloren gegangen. Zum Vergleich diene Abb.10 eine Berline (die Stammmutter des Landauers). Schön ist anders und lang, dass man kopfschüttelnd davorsteht. Die Vorderräder unterstützen nicht einmal den Bock, geschweige den Wagen. Sieht man die Sache genau von der Seite an, so steht das Vorderrad noch weiter vor, die Riesenbockdecke und das Gewicht des Kutschers befinden sich weit hinter der Unterstützungslinie. Angenommen der Wagen hätte stark einlenken sollen, so wäre das viel besser und schöner durch das Höherstellen des Wagenkastens erreicht worden, wie das bei dem bespannten und den ganz neuen Wagengeschehen ist. Die Eisenfelgen, die zugespitzten Speichen, die zwölf silbernen Wappen und die poesielosen blanken Leisten, bei deren Putzen der Lack verdirbt, sind ebenso unschön wie die steife Bockdecke, die, mit der alten verglichen, wie aus Blech gefertigt aussieht. Betrachtet man den Wagenkasten so hat man die Empfindung, dass die Insassen mit hochgezogenen Knien zu tief sitzen und dass man von außen vor allen Dingen Knie sieht, die Köpfe aber nicht in der halben Höhe des Fensters, sondern am oberen Rande.

 

 

Fortsetzung folgt

Textbearbeitung . H.B.Paggen

Quellen: Deutsche Fahrzeug-Technik 1919 Sammlung Verfassser